Verfassungsschutz stuft Sachsen-AfD als rechtsextremistisch ein

Die Partei verfolge verfassungsfeindliche Ziele, sagt Verfassungsschutz-Präsident Dirk-Martin Christian. Es dominiere im Landesverband das Lager um Björn Höcke.

Der sächsische Verfassungsschutz stuft den sächsischen Landesverband der AfD als gesichert rechtsextremistische Bewegung ein. Das teilte das Landesamt am Freitagmorgen in einer schriftlichen Stellungnahme mit. Die Partei, die derzeit in Wahlumfragen in Sachsen vorn liegt, werde nun auch vom Verfassungsschutz beobachtet.

„In den vier Jahren der intensiven Prüfung haben wir eine Vielzahl von Äußerungen und politischen Forderungen, insbesondere hoher Funktionäre und Mandatsträger der Landespartei sowie der Kreisverbände, also von Personen mit einem hohen Repräsentationsgrad, gesammelt. Diese belegen in der Summe unzweifelhaft, dass der hiesige AfD-Landesverband verfassungsfeindliche Ziele verfolgt“, erklärte Dirk-Martin Christian, Präsident des sächsischen Inlands-Nachrichtendienstes.

AfD-Volksverständnis sei nicht mit Grundgesetz vereinbar

Der Landesverband der AfD sei zwar „personell heterogen zusammengesetzt“, inhaltlich und programmatisch überwiege jedoch das „sogenannte solidarisch-patriotische Lager, dessen geistiger Vater und Anführer der Rechtsextremist Björn Höcke ist und das inzwischen den Charakter des gesamten Landesverbandes prägt und dominiert“, so Christian weiter. „Rechtsextremistische Äußerungen führender Funktions- und Mandatsträger werden innerparteilich zur Kenntnis genommen, ohne dass es seitens der Landespartei öffentlich zu einer Distanzierung oder zumindest kritischen Auseinandersetzung käme.“ Die Partei erscheine vielmehr als „monolithischer Block“.

In seiner Mitteilung geht Sachsens Verfassungsschutz auch im Detail auf einzelne Positionen der AfD ein: Die Partei verfolge eine Politik, wonach sich der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ausschließlich nach ethnisch-biologischen beziehungsweise kulturellen Kriterien richte. „Ein solches Volksverständnis ist jedoch mit dem Grundgesetz unvereinbar“, sagte LfV-Chef Christian. Die AfD setze Migranten und ethnischen Minderheiten zudem herab. „Eine derart rassistische Ausprägung des Volksbegriffs, wie ihn die AfD Sachsen öffentlich vertritt, hat seine Wurzeln im historischen Nationalsozialismus.“

Kontakt zu anderen rechtsextremen Akteuren

Die AfD bediene zudem antisemitische Positionen: „Antisemitismus wird von führenden Vertretern des AfD-Landesverbandes nicht direkt geäußert, sondern durch sogenannte Codes und Chiffren verschlüsselt, zum Beispiel über die ‚internationale Finanzelite‘, sagte Christian. Auch agitiere die sächsische AfD gegen die politische Grundordnung der Bundesrepublik. Es gebe darüber hinaus „zahlreiche Belege für strukturelle und strategische Verbindungen des AfD-Landesverbandes mit anderen gesichert extremistischen Akteuren“. Dabei handelt es sich unter anderem um die „Freien Sachsen“, die „Pegida“-Bewegung und das „Institut für Staatspolitik“ von Götz Kubitschek in Schnellroda (Sachsen-Anhalt).

Der AfD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Jörg Urban kritisierte die Entscheidung des Verfassungsschutzes scharf: „Die Hochstufung war absehbar, weil die AfD derzeit stärkste Kraft in den Neuen Bundesländern ist. Trotzdem entbehrt die Hochstufung jeder sachlichen Grundlage.“ Der Verfassungsschutz verfolge „für jedermann ersichtlich einzig und allein wahltaktische Motive“.

Innenminister Schuster: Entscheidung orientiert sich am Gesetz

Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) betonte dagegen: „Es ist die Kernaufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz, Erkenntnisse zu sammeln, um in einem fachlich-juristischen Prüfprozess zu beurteilen, ob eine Organisation erwiesen rechtsextremistisch ist oder auch nicht.“ Eine solche Entscheidung orientiere sich ausschließlich an den Regelungen des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes. „Von der intensiven juristischen Prüfung und dem immensen Arbeitsaufwand der Mitarbeiter des LfV zeugen Qualität und Umfang des Gutachtens“

Der sächsische AfD-Landesverband ist der letzte in Mitteldeutschland, der als rechtsextremistisch eingestuft wird. Die AfD in Thüringen wird schon seit März 2021 vom Verfassungsschutz beobachtet. Der dortige Verfassungsschutzchef Stephan Kramer sieht sich nun auch bestätigt: „Das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen hat ja auch auf Vernetzungen und Einflüsse über Landesgrenzen hinweg, insbesondere nach Thüringen hingewiesen“, so Kramer. In Sachsen-Anhalt wurde die Partei vor wenigen Wochen als gesichert rechtsextrem eingestuft.

Forderungen nach Verbot – AfD-Funktionäre aus Staatsdienst entfernen

Die Einstufung der Sachsen-AfD als gesichert rechtsextrem hatte am Freitag zahlreiche Reaktionen aus allen politischen Lagern zur Folge. So schrieb die Landtagsabgeordnete und Rechtsextremismus-Expertin Kerstin Köditz (Linke), die Entscheidung des LfV sei längst überfällig gewesen. „Sei der Einleitung des sogenannten Pfüffall-Verfahrens ist immerhin fast ein halbes Jahrzehnt vergangenen, in dem sich die Partei verhärtet und ungebremst radikalisiert hat. Sie steht seit heute auch offiziell auf einer Stufe mit der NPD – nur größer.“ Sie hofft, dass die Einstufung als rechtsextrem nun aber kein „zahnloser Verwaltungsvorgang bleibe. Sachsens Landesregierung müsse sich nun um Bundesrat für ein Verbotsverfahren einsetzen und umgehend mit der Sammlung von Beweismitteln beginnen.

Landtagsabgeordneter Valentin Lippmann (Grüne) erklärte: „Die AfD ist eine Ansammlung von Republikfeinden und Demokratieverächtern – sie will die freiheitliche Demokratie ins Wanken bringen. Wer jetzt immer noch glaubt, man könne mit dieser Partei zusammenarbeiten oder ihren Anträgen zustimmen, macht sich zum Steigbügelhalter von Verfassungsfeinden.“ Er forderte Sachsens Innenminister auf, „unverzüglich zu prüfen, inwieweit Beamtinnen und Beamte, die Funktionsträger der AfD sind, aus dem Staatsdienst zu entfernen sind.“ Sachsen dürfe keine Verfassungsfeinde im Staatsdienst dulden.

Für Philipp Hartewig (FDP), der für die Liberalem im Bundestag arbeitet, ist die AfD ohnehin längst keine Protestpartei mehr. „Sie ist weder „bürgerlich“ noch Teil der politischen Mitte, wie sie selbst so gern behauptet. Im Gegenteil: Die AfD verachtet politische Institutionen und die Werte des Grundgesetzes.“ Dass der sächsische Verfassungsschutz nun den Landesverband der AfD als gesichert rechtsextremistisch einstuft, zeigt die innerparteilichen Radikalisierungstendenzen auf. Nach Thüringen und Sachsen-Anhalt ist das der dritte Landesverband mit dieser Einstufung.“

Auch der SPD-Landtagsabgeordnete Albrecht Pallas begrüßte die Nachricht des LfV: „Zwar hat die Prüfung viel Zeit in Anspruch genommen, aber in diesem Fall war die Gründlichkeit besonders wichtig.“ Jetzt gebe es schwarz auf weiß, was viele Menschen in Sachsen ohnehin schon länger wahrnehmen: „Die AfD in Sachsen tritt nach unten. Sie hetzt. Sie grenzt aus. Sie spielt Gruppen gezielt gegeneinander aus, um am Ende selbst zu profitieren.“ Pallas hat zudem beobachtet, dass die sächsische AfD schon länger systematisch völkisch-nationalistisch ausgerichtet werde. „Mit dieser Einordnung durch das Landesamt für Verfassungsschutz haben die Menschen in Sachsen nun Klarheit darüber, welche Ziele die rechtsextremistische AfD verfolgt.

Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) rief am Freitag Protestwähler und Sympathisanten der AfD dazu auf, sich die Einschätzung des Verfassungsschutzes nun zu Herzen zu nehmen. „Unzufriedenheit und Protest entschuldigen nicht eine Sympathie mit Feinden der Demokratie. Anstand bedeutet: klare Kante gegen Rechtsextremisten“, so Jung. Im kommenden Jahr, in dem in Sachsen unter anderem Kommunal- und Landtagswahlen anstehen, „werden wir Wählerinnen und Wähler als demokratische Parteien mit überzeugenden Argumenten überzeugen und gewinnen müssen“, sagte Leipziger Oberbürgermeister.

AfD-Chef Urban: Einstufung erfolgte aus wahltaktischen Gründen

Die sächsische AfD selbst reagierte am Freitag betont gelassen: „Die Hochstufung war absehbar, weil die AfD derzeit stärkste Kraft in den Neuen Bundesländern ist“, mutmaßte AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Jörg Urban. Trotzdem entbehre die Einstufung seiner Partei als gesichert rechtsextrem jeder sachlichen Grundlage. „Der Verfassungsschutz ist schon längst zum Regierungsschutz mutiert. Und dieser Regierungsschutz verfolgt für jedermann ersichtlich einzig und allein wahltaktische Motive“, so Urban weiter, der bis zur Auflösung auch zum völkisch-nationalen Flügel seiner Partei gerechnet wurde.

Für den AfD-Landtagsabgeordneten Carsten Hütter zeige die Entscheidung des Verfassungschutzes nur, „wie verzweifelt man in der CDU/SPD/Grünen-Koalition im Jahr vor der Landtagswahl in Sachsen sein muss. Es ist das Eingeständnis des eigenen Scheiterns.“ An die Neutralität der Behörde glaube ohnehin niemand mehr.


08.12.2023

Leipzigs OBM zur neuen AfD-Einstufung: Mit Extremisten können Demokraten nicht kooperieren

Sachsens Verfassungsschutz sieht den Landesverband der AfD inzwischen als klar rechtsextremistische Bestrebung an. Für Leipzigs Stadtoberhaupt hat das auch Bedeutung für das anstehende Wahljahr.

Für Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) ist die neue Einschätzung der sächsischen AfD durch den Verfassungsschutz keine Überraschung: „Alle hatten es geahnt, jetzt haben wir es schwarz auf weiß: Die sächsische AfD ist eine rechtsextremistische Partei“, sagte Jung am Freitagnachmittag.

Die Einschätzung des Landesamtes sei in ihrer Wortwahl deutlich und lasse keinen Spielraum. „Auch wenn einzelne Vertreter der Partei den Anschein des Bürgerlich-Konservativen geben – auch bei uns im Stadtrat – dann ist jetzt klar: dieser Anschein ist dünn und vorgeschoben.“ Die Partei als „monolithischer Block“ habe einen rechtsextremistischen Kern, so Jung weiter. „Und mit Extremisten können Demokraten nicht kooperieren.“

Jung fordert klare Kante gegen Rechtsextremisten

Jung hofft, dass sich Protestwähler und Sympathisanten der Partei nun auch überzeugen lassen, lieber demokratische Parteien zu wählen. „Unzufriedenheit und Protest entschuldigen nicht eine Sympathie mit Feinden der Demokratie. Anstand bedeutet: klare Kante gegen Rechtsextremisten“, so Jung weiter. Im kommenden Jahr, in dem in Sachsen unter anderem Kommunal- und Landtagswahlen anstehen, „werden wir Wählerinnen und Wähler als demokratische Parteien mit überzeugenden Argumenten überzeugen und gewinnen müssen“, sagte Leipziger Oberbürgermeister.

Sachsens Verfassungsschutzchef Dirk-Martin Christian hatte am Freitagvormittag bekannt gegeben, dass der sächsische Landesverband der AfD inzwischen als rechtsextremistisch angesehen werde. „In den vier Jahren der intensiven Prüfung haben wir eine Vielzahl von Äußerungen und politischen Forderungen, insbesondere hoher Funktionäre und Mandatsträger der Landespartei sowie der Kreisverbände, also von Personen mit einem hohen Repräsentationsgrad, gesammelt. Diese belegen in der Summe unzweifelhaft, dass der hiesige AfD-Landesverband verfassungsfeindliche Ziele verfolgt“, erklärte Christian.